Für
viele ist Unterraderach nur ein unscheinbarer Durchgangsort von Friedrichshafen
nach Markdorf. In letzter Zeit hat aber eine prägnante Veränderung
stattgefunden, erblickt man doch inzwischen auf dem Hügel über dem
Dorf die neu erbaute Benedikt-Kapelle. In ihrer schlichten Schönheit erinnert
sie den Besucher an Gott, dem hier ein neues Haus geschaffen wurde. In zunehmenden
Maße kommen mehr und mehr Menschen, die den kleinen Hügel erklimmen,
eine kurze Einkehr in der Kapelle halten und den schönen Ausblick genießen.
Der Blick geht hinüber nach Berg und
über Friedrichshafen zum eindrucksvollen Panorama über die Bergkette
der Allgäuer, Österreicher und Schweizer Alpen. Es ist ein Ort entstanden,
der sowohl Einheimische wie auch Gäste immer wieder neu zu einem Besuch
einlädt und für viele sicherlich schon zum „Wahrzeichen“
von Unter¬raderach geworden ist.
Entstanden ist die Idee im August 2003 beim großen Fest zur 625-Jahrfeier
von Unterraderach. Der inzwischen leider verstorbene Fritz Grossmann und Erster
Bürgermeister Dieter Hornung dachten damals darüber nach, dass Unterraderach
ein Zentrum, eine kleine Kirche fehlt... die Idee war geboren. Durch andere
Aktivitäten ruhte diese einige Zeit, aber sie wurde nicht vergessen und
zum 14. Juni 2004 lud Dieter Hornung zusammen mit Hans-Georg Maier alle Bürgerinnen
und Bürger von Unterraderach und natürlich auch der umliegenden Orte
zu einer Gründungsversammlung für einen „Kapellenverein Unterraderach
e.V.“ ein.
Die Gründungsversammlung war professionell geplant und der Entwurf einer
Vereinssatzung vorbereitet. Die bange Frage blieb, wie viele Interessierte kommen
würden, um dem Verein beizutreten. Alle Befürchtungen waren umsonst.
28 Personen waren zur Vereinsgründung anwesend und alle traten dem neu
gegründeten Verein auch sofort bei. Es wurde auch am gleichen Abend noch
der Vereinsvorstand gewählt. Erster Vorsitzender wurde Dieter Hornung und
sein Stellvertreter Hans-Georg Maier. Als Schatzmeisterin wählte man Maria
Waggershauser und Martin Kohler als Schriftführer. Erweitert wurde der
Vorstand um die Beisitzer Bruno Kramer und Gerhard Friedrich.
Erklärtes Vereinsziel: „In Unterraderach ein Zeugnis Gottes in dieser
Welt und einen Ort der Besinnung zu schaffen.“ Als Grundstück für
den geplanten Kapellenbau wurde das Flst. Nr. 1819, Gemkg. Unterraderach mit
2.867 m² vorgeschlagen. Die Grundstückseigentümer hatten bereits
die Bereitschaft zum Verkauf signalisiert.
4 Tage später, am 18. Juni 2004 war Ortsbesichtigung mit zahlreichen Mitgliedern.
Gleich an Ort und Stelle wurde der Kauf endgültig beschlossen. Am 20. Oktober
konnte der Kaufvertrag für das Baugrundstück notariell abgeschlossen
werden. Daniel Oberschelp wurde als Architekt gewonnen; ein Spender sagte zu,
für Glocke und Läutwerk zu sorgen. Im Zuge einer groß angelegten
Spendenaktion gingen in der Folgezeit viele Spenden ein, so dass ein finanzieller
Grundstock für den Baubeginn geschaffen werden konnte. Ein inzwischen verstorbener
Förderer vermachte dem Verein zwei Ikonen aus dem 17. Jahrhundert, die
den heiligen Petrus und Lukas darstel¬len.
Nun ging es an die Planung: Eine richtige Kapelle sollte es werden, nicht nur
ein Bildstöckchen. Modern, zeitgemäß, ein eigenständiger
Planungsentwurf, passend zum Dorf, so wünschte man sich im Vorstand die
neue Kapelle. Im Januar 2005 wurden vom Architekten vier Gestaltungsentwürfe
als Grundlage für eine weitere Planung vorgelegt. Unter den Vereinsmitgliedern
wurden Vorbehalte gegenüber den eher modernen Entwürfen laut .Um weitere
Ideen zu sammeln, besichtigte die Vorstandschaft im Frühjahr 2005 Kapellen
im nahen Allgäu. Als Ergebnis dieser Reise entwi¬ckelte sich eine konkrete
Vorstellung über die Architektur der künftigen Kapelle.
In der nächsten Vorstandssitzung präsentierte Martin Kohler 3D-Aufnahmen,
bei welchen er sowohl die Allgäuer Kapellen, wie auch die Kapellenmodelle
von Herrn Oberschelp optisch an den geplanten Standort installierte. Es herrschte
schnell Übereinstimmung, dass die besichtigten Kapellen von Grundform und
Aussehen her sicherlich die am ehesten passenden für Unterraderach seien.
Intensiv wurde in der Folgezeit über Modifikationen beim Turmdach, Eingangsbereich,
der Optik der Fenster und auch vielen weiteren Details gesprochen. Ziel war
es, eine zur Landschaft und zum Ortsbild passende Kapelle zu entwerfen.
Ende Mai wurde dann das erworbene Grundstück besichtigt, die Lage der Kapelle
festgelegt sowie der geplante Wegverlauf und die erforderlichen Arbeitseinsätze
besprochen. In der Folgezeit nahmen die Kapellenpläne endgültig Gestalt
an. Anfang Juni schließlich fand der erste Arbeitseinsatz unter großer
Beteiligung der Mitglieder statt.
Am 15. Juni 2005 waren alle Vereinsmitglieder zur jährlichen Mitgliederversammlung
eingeladen. Hier wurden die Entwürfe der Kapelle von Architekt Oberschelp
vorgestellt. Bei der anschließenden Abstimmung wurde dem „klassischen“
Kapellenentwurf, so wie die Kapelle heute realisiert ist, von der Mitgliederversammlung
ohne Gegenstimmen oder Enthaltungen zugestimmt.
Am 26. und 27. August war dann der erste große Arbeitseinsatz. Zahlreiche
männliche Vereinsmitglieder kamen, um zu helfen. Unter fachkundiger Anleitung
und dem Arbeitseinsatz von zwei Baggern wurde sowohl der Weg wie auch die Plattform,
wo die Kapelle heute steht, weitgehend hergestellt. Alle Helfer waren stolz
auf das Geleistete.
Abends gab es in der „Dombauhütte“ (Garage der Schatzmeisterin)
ein verdientes Vesper und die verlorene Flüssigkeit konnte wieder ersetzt
werden. Nicht nur an diesem Abend, sondern auch bei allen folgenden Arbeitseinsätzen
verbrachten die Helfer hier gemütliche Stunden bis tief in die Nacht. In
der darauffolgenden Woche wurde die Wasser- und Stromleitung vom Verteiler neben
der Straße den Berg hinauf verlegt.
Mitte September war es dann soweit. Die Fundamente wurden ausgehoben, Armierungen
eingelassen und die Bodenplatte betoniert.
Zum Jahresende waren nun alle froh, dass man innerhalb von etwas mehr als einem
Jahr nach Vereinsgründung so weit gekommen und das Fundament für die
Kapelle gelegt war. Aufgrund des schönen Herbstwetters konnte am 19. November
2005 ein weiterer Arbeitseinsatz durchgeführt werden, zu dem wiederum zahlreiche
Vereinsmitglieder erschienen. Das restliche Grundstück wurde von Gestrüpp
befreit, Teile des Wegs überarbeitet und der Vorplatz mit Kies bedeckt.
Dank fleißiger Helfer war abermals wieder ein großer Fortschritt
zu sehen.
Beim Adventsbazar in Berg und dem Weihnachtsmarkt in Ailingen war der Kapellenverein
präsent und verkaufte „Kapellen-Bausteine“. Abends versammelten
sich viele Mitglieder zum ersten „Christbaumloben“ auf dem Kapellenhügel.
Die klare Sternennacht, eine leichte Schneedecke und natürlich der wunderschöne
Christbaum bildeten den entsprechenden Rahmen für diese Veranstaltung.
Es war ein gelungenes Fest mit Weihnachtsliedern, einer besinnlichen Ansprache
des Vorsitzenden und natürlich guter Stimmung. Die meisten kamen auch noch
mit in die „Dombauhütte“, wo man den Abend gemütlich ausklingen
ließ. Der Erlös aus dem Verkauf von Getränken und Speisen floss
in die „Baukasse“.
Im Weihnachtsbrief forderte der Vorstand die Mitglieder auf, ihren Namensvorschlag
für die geplante Kapelle abzugeben. Als mögliche Namenspatrone waren
Benedikt, Johannes-Paul, Bonifatius und der hl. Franziskus aufgeführt.
Mit großer Mehrheit entschieden sich die Mitglieder für den Heiligen
Benedikt von Nursia. Sicherlich war für viele Mitglieder bei der Namenswahl
auch entscheidend, dass unser deutscher Papst Benedikt XVI im gleichen Jahr
gewählt wurde.
Im Frühjahr 2006 ging es weiter mit dem eigentlichen Bau der Kapelle. Mit
der Herstellung des Rohbaus, der Aufrichtung des Dachstuhles, der Dacheindeckung,
den Flaschnerarbeiten, dem Verputzen und den Malerarbeiten konnten wesentliche
Fortschritte dank der engagierten Hilfe einiger Handwerker aus der Region und
vielen freiwilligen Helfern erreicht werden.
Am
18. Juli 2006 war es dann soweit: Richtfest und Grundsteinlegung konnten gefeiert
werden. Zahlreiche Mitglieder und Freunde kamen, dieses Fest zu feiern. Der
Musikverein Berg umrahmte die Veranstaltung mit einigen Musikstücken. Nach
dem traditionellen Richtspruch wurde im Eingangsbereich als Grundstein eine
Kassette eingemauert mit den aktuellen Tageszeitungen, der Entstehungschronik
der Kapelle, Bildern vom Bau und aktuellen Münzen.
Pfr. Manfred Schlichte aus Ailingen (damaliger Pfarrverweser für die Gemeinde
Berg) segnete den Rohbau des neuen Gotteshauses. In Anspielung auf die Bedeutung
des lateinischen Wortes
„benedictus“, sprach er den Wunsch aus:
„Möge von dieser Stätte Segen ausströmen bis weit über
den See hinaus“.
Bereits Anfang des Jahres 2006 hatten Mitglieder des Vorstandes die Glockengießerei
Bachert in Karlsruhe besucht und die Glocke bestellt. Am 28. Juli 2006 ging
es auf große Fahrt. Fast 70 Mitglieder reisten mit einem Bus zusammen
mit unserem ehemaligen Pfr. Alfred Vögele nach Karlsruhe, um den Guss der
Glocke mitzuerleben. Dort wurden alle mit einem Weißwurstfrühstück
empfangen und anschließend erklärte man der Gruppe ausführlich
die traditionelle Fertigung der Glocken, die immer freitags um 15 Uhr, zur Sterbestunde
Jesu, gegossen werden.
Die Glocke ist 40 kg schwer und hat einen Durchmesser von 41 cm. Sie ist auf
einen hellen d-Ton (dreigestrichenes „d“) gestimmt. Darauf ist die
Figur des heiligen Benedikt abgebildet mit der Aufschrift:
„Segne unsere Heimat / Sanctus Benedictus / ORA ET LABORA / In Erinnerung
an den deutschen Papst Benedikt XVI und den Bau dieser Kapelle in den Jahren
2005/2006 / Gestiftet von Karl Fränkel Friedrichs-hafen“.
Nach einem Segensgebet durch Herrn Pfr. Alfred Vögele holten die Handwerker
mit großen Schöpfkellen die über 1000°Celsius heiße
Bronze aus einem großen Bottich und gossen sie in die Glockenform. Für
alle Beteiligten ein ergreifendes Erlebnis.
Mit der feierlichen Glockenweihe am 12. Oktober 2006, bei der zahlreiche Mitglieder
und der Stifter anwesend waren, segnete der neue Pfarrer von Berg, Rudolf Bauer,
die Glocke. Anschließend wurde sie in den Turm hochgezogen und das erste
Mal geläutet. Fleißige Hände hatten bereits das Kreuz auf dem
Kirchturm angebracht, die Halterung vorbereitet und übernahmen zusammen
mit einem Mechaniker der Fa. Bachert am darauffolgenden Tag den Anschluss des
Glockenmotors.
Auch die Innengestaltung nahm langsam Form an. Der Altar wurde aus Rorschacher
Sandstein gestaltet. Nachdem die Benedikthöhe, wie der Ort inzwischen benannt
wird, früher ein Weinberg war, wurden Weinreben als Verzierung für
die Altarplatte gewählt. Nach der Verlegung des Bodens, dem Türeinbau
und sonstigen Arbeiten konnten die ersten Bänke aufgestellt werden, die
aus der ehemaligen Kapelle des Karl-Olga-Kranken-hauses in Friedrichshafen stammen.
Der umlaufende Sims wurde in der Apsis mit drei durchbrochenen Kreuzen ausgestattet
und mit 14 Holznägeln befestigt. Die Kreuze symbolisieren die heilige Dreifaltigkeit;
die Holznägel die
14 Kreuzwegstationen Jesu.
Besonders gelungen sind die künstlerisch gestalteten und bleiverglasten
Fenster sowie das Benediktuskreuz in der Rosette über dem Eingang. Das
im Altarraum eingelassene Glaskreuz mit der Christusdarstellung ist ohne Zweifel
die zentrale Mitte und der Blickfang in der neuen Kapelle.
Beim zweiten „Christbaumloben“ am 9. Dezember 2006 war die Kapelle
dann auch schon zu klein, um alle Mitglieder und Gäste zu fassen. In einer
schönen Feier wurden Adventslieder mit instrumentaler Begleitung gesungen
und besinnliche Weihnachtstexte stimmten auf die Adventszeit ein.
Im Frühjahr 2007 gab es noch verschiedene Arbeits¬einsätze um
die Außenanlagen zu gestalten. Auch konnte die sakrale Ausstattung vollendet
werden. Links und rechts vom Kreuz wurde eine geschnitzte Figur des hl. Benedikt
als Patron der Kapelle und von Maria, als Mutter Jesu und aller Gläubigen
angebracht. Auch die beiden Ikonen Petrus und Lukas haben ihren Platz bekommen.
Anhand des Mitgliederzuwachses lässt sich deutlich die positive Entwicklung
des Vereins nachvollziehen:
Vereinsgründung 28 Gründungsmitglieder
Hauptversammlung 2005 46 Mitglieder
Hauptversammlung 2006 74 Mitglieder
Hauptversammlung 2007 112 Mitglieder ( 100. Mitglied ist Manfred Strobel, der
durch Überlassen von einem Teil seines Grundstückes den Bau der Kapelle
an dieser Stelle erst ermöglicht hat.)
So wurde die Kapelle nach 2 Jahren Bauzeit und Baukosten von ca. 120.000,- Euro
fertiggestellt. Viele haben zum Gelingen dieses neuen Gotteshauses beigetragen
und es bewahrheiteten sich immer wieder die Worte Papst Benedikts XVI: „Wer
glaubt, ist nie allein“. Alle Beteiligten durften spüren, wie sie
beim Bau dieser Kapelle selber im Herzen beschenkt wurden.
Deshalb danken wir zum Schluß allen Förderern unseres Vorhabens.
Viele fleißige Hände und großherzige Spender haben dieses Werk
gelingen lassen. Mit ca. 2.000 freiwilligen Arbeitsstunden waren Mitglieder
und Freunde an der Realisation beteiligt und mit großzügiger Unterstützung
vieler Handwerksbetriebe wurde der Bau fachlich begleitet.
Hiermit allen ein herzliches Vergelt‘s Gott!